Traumdeutung


Die Traumdeutung ist eins der ältesten und zugleich faszinierendsten Themen der Esoterik und beschäftigt die Menschen schon seit Jahrtausenden. Wir finden die ersten beschriebenen Träume in den Ursprungsmythen der Völker: in der Bibel klettert Jakob auf der Himmelsleiter ins Paradies, und im babylonischen Schöpfungsmythos, dem Gilgamesch-Epos, träumt der Tiermensch Enkidu seinen eigenen Tod voraus. Träume galten als prophetisch, als Voraussagungen dessen, was mit Sicherheit eintritt, und so war es überaus wichtig, Träume richtig zu entschlüsseln, um den Willen der Götter zu erfahren und seine Zukunft im Voraus zu kennen. Die Visionen im Schlaf wurden also schon in biblischer Zeit als Vorboten von zukünftigen Ereignissen angesehen, doch der persönliche Umgang mit Traumdeutern und Orakelsehern wurde im Alten Testament verboten, so dass der Einzelne oft auf seine eigene Kompetenz im Traumdeuten zurückgeworfen wurde, da er fremde Hilfe offiziell nicht in Anspruch nehmen durfte. Auch das Christentum sah professionelle Traumdeuter skeptisch und stellte sie auf eine Stufe mit Wahrsagern, die verpönt waren, weil man das Seelenheil einzig und allein im Evangelium von Jesus Christus und im Neuen Testament sehen wollte. Dennoch blühte auch nach der Christianisierung Europas insbesondere in ländlichen Gegenden eine inoffizielle Kultur der Traudeutung und Traumerforschung, die oft von so genannten weisen Frauen durchgeführt wurde. Es wurde zu einem beliebten Brauch, Träume zu notieren (zum Beispiel die Träume in den Raunächten vom 24.12.-06.01., die angeblich prophetischen Charakter haben) und sich Träume deuten zu lassen – eine Tatsache, der sich in jüngster Zeit die wissenschaftliche Annäherung an die wundersame Welt, die wir im Schlaf erblicken, zugesellt hat.

Heute wird die Traumdeutung in der modernen Psychologie als Hilfe zur Selbsterkenntnis genutzt und dient der Analyse verborgener Willensstrukturen und Absichten, aber auch verborgener Traumata und Ängste. Hierbei stützt sich die Psychologie hauptsächlich auf die klassischen Erkenntnisse von Sigmund Freud, dem Gründervater der Psychoanalyse, der die Träume primär als Ausdruck unseres Unterbewusstseins, insbesondere unserer unterdrückten sexuellen Wünsche, ansah. Hierbei ist auch die Zuordnung von so genannten Phallus-Symbolen typisch, indem unterstellt wird, Traummotive, die eher länglich als breit seien, wie Türme, Hochhäuser oder Stangen, repräsentierten Phallus-Symbole, und Traummotive, die eher breit als lang oder gewölbt seien, wie Brunnen, Schächte oder Tunnel, seien hingegen ein Symbol für die gewünschte Rückkehr in den Mutterleib. Jene programmatische Sicht Freuds auf die Traummotive ist in der Psychologie oft als zu einfach und zu einseitig kritisiert worden, hatte jedoch zu ihrer Entstehungszeit Anfang des 20. Jahrhunderts, als viele Menschen unaufgeklärt und sexuell unterdrückt waren, durchaus ihre Berechtigung. Doch auch die so genannte Tiefenpsychologie von Carl Gustav Jung hat die psychologische Bedeutung von Träumen herausgestellt und ihr neue, ergänzende Erkenntnisse hinzugefügt. Jung argumentiert – gegen Freud – dass Träume keinesfalls nur Kompensationen unerfüllter sexueller Wünsche und Bedürfnisse seien, sondern auch Ausdruck unseres so genannten „kollektiven Unterbewusstseins“. Das kollektive Unterbewusstsein sei eine tiefe Bewusstseinsebene, die bei allen Menschen in allen Zeiten und Kulturen gleich sei, eine Ebene, aus der unsere seelisch-spirituellen Ideale von Mann und Frau (Animus und Anima), aber auch  Fantasiegestalten wie Elfen und Feen, Drachen und Hexen entstünden. Träume seien also eine Verbindung aus individuellem Unterbewusstsein, wie Freud annahm, und zugleich Ausdruck eines über das Individuum hinaus reichenden und allen Menschen gemeinsamen kollektiven Unterbewusstseins, wie Jung annimmt. So würde sich erklären, warum eine bestimmte Person Träume hat, die ganz genau ihrem Tagesablauf oder ihrem eigenen Set von Erfahrungen entsprechen, aber zugleich auch gleichsam mythologische Träume von Fabelgestalten haben kann, wie sie in den Märchen und Legenden aller Völker vorkommen.

Die noch relativ junge naturwissenschaftlich-medizinische Traumforschung geht noch einen Schritt weiter als die Pioniere Freud und Jung und hat damit begonnen, Träume zu messen, indem man die wechselnden Hirnströme der Schlafenden im Labor aufzeichnet und interpretiert. Hierbei fanden Forscher heraus, dass es mehrere Tiefschlaf- und Traumphasen in jeder Nacht gibt und die Schlafenden in der so genannten REM-Phase (rapid eye movement) besonders intensive Träume haben. Zudem wurde auch festgestellt, dass tatsächlich jeder Mensch jede Nacht träumt – auch wenn er das bestreiten mag, weil er sich morgens nicht daran erinnern kann. Träume bleiben also das, was sie immer schon seit Beginn der Menschheit waren – faszinierende Botschaften unseres Unterbewusstseins, voll von Signalen und Bildern, die wir entschlüsseln müssen. Um die Träume zu deuten, gibt es seit der Antike ein breites Regelwerk zum Einschätzen von Traumthemen und Motiven. Angefangen beim Traumbuch des griechischen Philosophen Artemidorous, der schon im Altertum über Träume schrieb (der römische Schriftsteller Plinius der Jüngere berichtet darüber) über die zahlreichen Traumdeutungsbücher der Renaissance und der romantischen Zeit im 19. Jahrhundert mit ihren „Zigeuner-Wahrsagebüchern“ bis in die Gegenwart, bleiben Träume und ihre Interpretation ein Trend bei Buchautoren und Lesern.

Träume kann man aufschreiben, um sie besser im Gedächtnis zu behalten – manche Menschen legen sich ein „Traumbuch“, ein kleines Notizbuch nur zu diesem Zweck, auf ihren Nachttisch. Es gibt auch die Technik, die aus der so genannten Gestalttherapie nach Frederick Perls stammt, sich den Inhalt seines Traumes morgens ins Gedächtnis zu rufen und die einzelnen Traum-Motive direkt zu befragen, so als ob sie einem wie reale Personen gegenüber stünden. Wenn zum Beispiel ein Pferd im Traum vorkommt, kann man es gedanklich befragen, was es in diesem Traum sucht – oft gibt uns das Unterbewusstsein tatsächlich sofort eine Antwort darauf. Doch nicht jeder möchte jedes einzelne Motiv seiner Träume dezidiert befragen, um Auskunft über sein geheimes Leben im Schlaf und dessen Botschaften zu erhalten. Einfacher geht es mit fertigen Schlüsseln und Deutungsmustern. Wir haben daher auf den folgenden Seiten einige klassische Traumthemen zusammengestellt, sowie einige Traummotive von A-Z. Das Vorgehen ist denkbar einfach: träumen Sie zum Beispiel von einem Auto, sehen in der entsprechenden Rubrik „Fahrzeuge“ nach. In Zukunft werden Sie selbst Ihre Träume deuten können – mit all dem fundierten Wissen, dass Ihnen Psychologie, Esoterik und wissenschaftliche Kulturforschung bietet.

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