Wiedergänger
Unter einem „Wiedergänger“ (französisch: revenant) versteht man im Volksglauben Europas einen Toten, der wieder aufersteht – nicht unbedingt zum ewigen Leben im Himmel, wie es die christliche Religion vorsieht, sondern zum Schrecken aller Menschen als Leiche.
Aus dem Glauben an Wiedergänger ist auch der beliebte Vampir-Mythos entstanden, der ja darauf beruht, dass die Menschen annahmen, bestimmte Verstorbene blieben nicht ruhig in ihrem Grab, sondern könnten es nächtlich verlassen und die Lebenden heimsuchen. Doch der Glaube an Wiedergänger ist sehr viel älter als der Vampir-Mythos, der seine erste Erwähnung in den Schriften und Chroniken des lothringischen Abtes Dom Calmet im 17. Jahrhundert findet. Schon in der Antike berichten Schriftsteller wie der Römer Plinius der Jüngere von Geistergeschichten, die darauf beruhen, dass Tote angeblich wieder aus ihrem Grab aufsteigen, um die Lebenden zu erschrecken oder um irgendeinen Dienst von ihnen zu verlangen. Im Mittelalter gab sogar den Brauch, die Gräber der Verstorbenen mit Metallklammern oder schweren Steinen zu belasten, damit es dem gerade Hingegangenen nicht einfallen könne, nächtlich sein Grab zu verlassen. Auch fürchteten viele Menschen sich vor den so genannten Kaubewegungen der Toten im Grab – deshalb fanden Archäologen über Jahrhunderte hinweg alte Gräber, in denen die Skelette mit einer Binde um den Kopf oder einem Stein im Mund beerdigt waren, um das angebliche Kauen im Grab zu unterbinden. Grund für die Annahme, die Toten würden nächtlich „essen“, war, dass es einen natürlichen, physiologischen Hintergrund für Geräusche gab, die aus Gräbern stammen. Bei dem Zerfall der Leiche können nämlich Gase entstehen, die – je nach Beschaffenheit der Erde und des Hohlraums, der durch den Druck zerfallender Struktur im Grab entsteht – Geräusche erzeugen können, die mitunter weithin hörbar sind. Unsere Vorfahren glaubten dann oft, die Verstorbenen würden im Grab essen oder rufen oder ähnliche, lebensnahe Dinge tun.
Aus diesen – fehlinterpretierten – Beobachtungen ist dann wohl der Glaube an Wiedergänger entstanden, der in Mittel- und Osteuropa teilweise bis in die Gegenwart erhalten geblieben ist, denn vom angeblichen Essen oder Rufen im Grab, von dem der Volksglaube berichtet, bis zum Glauben an ein Verlassen desselben ist es nicht mehr weit. Viele traditionelle Geschichten und ländliche Sagen ranken sich um Tote, die als Wiedergänger zu den Lebenden zurückkehren – manchmal, um ein Unrecht zu rächen, manchmal auch, um für ihre Seele beten zu lassen. Der heutige „Hype“ um Vampire in Film und Fernsehen ist eine Neuauflage des alten Wiedergänger-Glaubens, der so lange Zeit zum Standard der Gruselgeschichten gehört hat, die man sich am Kaminfeuer erzählt…
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