Vampir

Wenige Gestalten der volkstümlichen Erzählungen sind derart bekannt und beliebt wie der Vampir, der gerade heute – durch Filme wie „Vampire diaries“ oder „Interview mit einem Vampir“ oder die Vampir-Saga mit Robert Pattison – zu großer Popularität gekommen ist. Doch die Sage von dem angeblich Blut trinkenden, auf Fledermausflügeln durch die Nacht gleitenden Untoten mit dem unschlagbaren erotischen Charme ist weitaus älter, als es Hollywood-Filme glauben machen. Tatsächlich findet der Vampir in Europa seine erste Erwähnung in einem unscheinbaren, aber unter Kennern sehr gesuchten Buch des Augustinermönches Abbé Dom Calmet, der Ende des 17. Jahrhunderts in Lothringen einen Traktat über die Geister und Erscheinungen von Untoten geschrieben hat und dort auch erstmals in der Literatur das Wort „oupir“ oder „vampir“ verwendete.

Besonders bekannt ist hierbei Calmets Erwähnung des Untoten Peter Arnold in Ungarn, der einige Wochen nach seiner Beerdigung aus dem Grab auferstanden und seine Verwandten heimgesucht haben soll, die nach seinem plötzlichen Auftauchen entweder durch Schrecken oder durch eine rätselhafte Krankheit starben. Als die Dorfbewohner den Sarg von Peter Arnold öffneten, fanden sie die Leiche angeblich wie einen Lebenden aussehend, mit Blut um den Mund, und unter Beiziehung eines Geistlichen soll die versammelte Gemeinde dem Untoten einen Pflock durchs Herz gerammt haben, um sein Wiederkommen zu verhindern. In der Geschichte um Peter Arnold finden wir also schon alle Elemente versammelt, die Vampirsagen auch in unserer Zeit ausmachen: ein Untoter, der wiederkehrt, nachts andere Menschen in den Tod führt und dabei selbst tagsüber wie lebendig im Sarg ruht.

Diese frühe Erwähnung eines Vampirs und seines Treibens wird heute jedoch, Historikern zufolge, nicht auf die Fantasie des Erzählers, sondern auf die schrecklichen Seuchen in Mittel- und Osteuropa zurückgeführt, die im 17. und teils noch im 18. Jahrhundert ganze Landstriche entvölkerten und dazu führten, dass mitunter tatsächlich noch lebende, nur scheintote Erkrankte mit Toten gemeinsam bestattet wurden. So konnte es vorkommen, dass Scheintote ihr Bewusstsein wiedererlangten und sich aufmachten, dem Grab zu entkommen und ihre Familie heimzusuchen, mitunter natürlich unter hoher Infektionsgefahr im Fall, dass der zum Leben Wiedererweckte noch den Keim einer Krankheit in sich trug. Doch heutige Mediziner bezweifeln, dass es sich bei der Sage um den Vampir lediglich um die – wenngleich schauerliche – Praxis der Bestattung noch lebender Personen handelte. Aus medizinischer Sicht handelte es sich bei den Vampiren um tatsächlich Tote, denn die moderne Medizin weiß, dass Verwesungserscheinungen mitunter um Wochen oder Monate verzögert sein können und Verstorbene rosig und gesund aussehen können, was erklärt, weshalb die Sage von den „lebensecht wirkenden“ Leichnamen kursierte, die gar nicht erfunden, sondern authentisch sei. Man geht heute in der Mehrzahl davon aus, dass der „Vampir“ ein Sagengebilde aus rückständigen Gegenden ist, welche sowohl die Medizin, als auch die Geschichte nicht richtig interpretieren und Gefallen an Verzerrungen und Übertreibungen finden. Jedoch – ändert das etwas an dem wohligen Schauer, den wir empfinden, wenn wir an einem Winterabend schön eingekuschelt am Kamin Vampir-Geschichten lesen?


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