Schicksal

„Schicksal“ ist ein Schlüsselbegriff sowohl in der Esoterik, als auch in der Religion, als auch in der traditionellen Volkskunde, wo er seit Tausenden von Jahren eine tragende Rolle bei der Erklärung von Ursache und Wirkung von Geschehnissen spielt. Unter dem Schicksal versteht man primär das Wirken der Götter im Leben der Menschen. Im Mythos ist das Schicksal unausweichlich, und das unausweichliche Schicksal ist zugleich Grundidee des griechischen Theaters und der Tragödie: der Held der Tragödie kann seinem Schicksal nicht entkommen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist Ödipus, dem von einem Orakel geweissagt wurde, dass er seinen Vater töten und seine Mutter heiraten würde. Er wird als Säugling im Gebirge ausgesetzt und dem Leben – ironisch gesagt, eben seinem Schicksal – hilflos überlassen, in der Hoffnung, dass er stirbt und sich das schwere Los nicht entfalten kann. Tatsächlich überlebt Ödipus bei Pflegeeltern und tötet als Erwachsener tatsächlich unwissentlich seinen Vater Laios und heiratet ebenso unwissentlich seine Mutter Iokaste. Der griechische Mythos um Ödipus zeigt, dass der Mensch seinem Schicksal nicht entrinnen kann, selbst wenn er alles dafür tut.
Die Idee des Schicksals spielt auch im indischen Kulturkreis beim Begriff des „Karmas“ und in der Reinkarnationslehre eine zentrale Rolle. Im hinduistischen Glauben ist es nicht ein Gott oder eine ganze Götterwelt wie die im griechischen Olymp, die irgendein Schicksal über den Menschen verhängt, welches sich unerbittlich erfüllt, sondern der Mensch selbst ist es, der sich sein Los bereitet durch sein Verhalten. Wer „gutes“ oder „schlechtes“ Karma ansammelt – durch entsprechende moralisch gute oder schlechte Taten – würde somit die Qualität seiner Lebensumstände nicht nur in diesem Leben, sondern auch in darauffolgenden Verkörperungen (Inkarnationen) bestimmen. Schicksal hört also im hinduistischen Kulturkreis auf, blindes Götterwirken zu sein, und ist eine Handlungsfolge des Menschen selbst, welcher durch seine Taten bestimmt, welches Leben er jetzt und in Zukunft führen möchte. Einen ganz ähnlichen Gedanken äußert auch der Dichter Rainer Maria Rilke, indem er sagt:
„Das Schicksal ist nicht etwas, das von Außen an uns herantritt, sondern etwas, das von Innen aus uns heraustritt.“


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