Rutengehen

Das so genannte Rutengehen ist eine Form der Radioästhesie. Radioästhesie bedeutet eine okkulte Lehre, die man davon ausgeht, dass in der Erde verborgene Metalle, Erze oder Wasseradern eine Art „Ausstrahlung“ haben, die oberirdisch durch ein spezielles Gerät –  meist eine Rute – wahrgenommen werden kann. Diese Vorstellung der Radioästhesie ist heute noch nicht wissenschaftlich anerkannt, obgleich es mehrere Versuche gab, sie zu beweisen. Im Volksglauben war und ist die Lehre von den angeblich wirksamen Ausstrahlungen unterirdischer Elemente aber sehr lebendig und wird oft zu Rate gezogen, wenn man ein Haus oder einen Brunnen bauen oder eine Wohnung neu einrichten möchte. Viele glauben zum Beispiel, auf Wasseradern könne man nicht schlafen und müsse daher die Möbel oder das Bett umstellen oder dergleichen, oder Metallvorkommen in der Erde unter einem Haus beeinflusse dessen Bewohner auf die eine oder andere Art und Weise energetisch. Diese gebräuchlichen Ideen von der hoch wirksamen Ausstrahlung unterirdischer Elemente auf der Erdoberfläche und für den Menschen selbst werden ähnlich auch von der fernöstlichen Harmonielehre Feng Shui vertreten.

Menschen, welche die traditionelle Technik der Radioästhesie professionell ausüben, heißen im Volksmund auch Rutengänger und die Tätigkeit selbst heißt zu Deutsch auch Rutengehen, da das Instrument, welches die unterirdischen Strahlenmassen aufspüren soll, meist eine Rute ist. Die romantische Vorstellung, dass ein Mann mit einer Rute, die plötzlich „ausschlägt“ und durch ihre Richtung einen Ort anzeigt, „verborgene Schätze“ oder Gold in der Erde aufspürt, entspricht jedoch nicht dem Alltag der Praxis eines Rutengängers. Die Rute (oder Wünschelrute) selbst ist Teil des halb magischen Prozesses und besteht – nach einem alten Glauben – entweder aus natürlichem Holz, meist von so genannten heiligen Bäumen wie Weide, Eiche oder Esche, oder auch aus feinem Metall. Solche Metall-Ruten nennt man auch Tensor und kann sie heute im Fachhandel für Esoterik-Bedarf in vielen Varianten kaufen. Das Rutengehen selbst hat eine lange Tradition, die historisch bis in die Antike reicht. Der römische Schriftsteller Tacitus berichtet, dass die Germanen erstaunliche Bräuche hätten, um die Qualität von Äckern und Siedlungsgrund festzustellen, denn bereits in dieser Zeit scheint es Rutengänger gegeben haben, die im Auftrag eines Clans für den „rechten Ort“ für eine Ansiedlung sorgten – einen Ort ohne Störstrahlung. Später, zu Goethes Zeit der deutschen Klassik und Romantik, die viel vormals verschollenes Sagen-Gut wieder belebte, lebte auch der Mythos vom geheimnisvollen Wünschelrutengänger wieder auf, natürlich romantisch verklärt. Tatsächlich gibt es in ländlichen Gegenden in Deutschland, Österreich und der Schweiz bis heute feinfühlige Menschen oder natürlich begabte Medien, die sich mit dem Rutengehen beschäftigen. Der berühmte bayerische Hellseher Alois Irlmaier soll ein Brunnenbauer gewesen sein, der mittel Rutengehen die geeigneten Plätze für das Ausgraben eruiert haben – und zu einer vertieften Hellsicht gefunden haben soll. Doch seine Prophezeiungen sind sehr umstritten, ähnlich wie auch das Gesamtgebiet der Radioästhesie, so faszinierend es sein mag.


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