Reliquie

Unter einer so genannten Reliquie (von lateinisch „relinquere“, zurückbleiben, also Überrest) versteht man in der christlichen und muslimischen Kultur einen Teil von einer menschlichen Leiche, meist der Leiche eines Heiligen oder Propheten, der wunderwirksame oder heilende Eigenschaften zugesprochen werden. Reliquien wurden oft über Jahrhunderte lang ehrfurchtsvoll in Kirchen oder Moscheen aufbewahrt in bestimmten Reliquienbehältern, den so genannten Ossoarien oder Ossuarien (wenn es sich um Knochen handelte) oder in Reliquienschreinen (wenn es Kleider oder Ringe waren) und sie galten unter Gläubigen stets als hoch wirksame, ja magische Elemente, die mit großer Verehrung angefasst oder bewundert werden sollten, da sie im Ruf standen, Krankheiten heilen und Wünsche erfüllen zu können. Reliquien werden manchmal unterirdisch in der Krypta einer Kirche aufbewahrt, aus Pietät sowie auch aus hygienischen Erwägungen heraus stets nur in speziellen Behältern verschlossen und versiegelt, und dann ausschließlich zu festlichen Gelegenheiten, wie zum Beispiel dem alljährlichen Geburtstag eines Heiligen, öffentlich ausgestellt.

Bekannt sind als Reliquien zum Beispiel der Bart des Propheten Mohammed, der im Topkapi-Serail in Istanbul aufbewahrt wird – daher stammt vielleicht auch der sprichwörtliche Ausspruch „Beim Bart des Propheten“ – und diverse Reliquien wie der mumifizierte Kopf der Sünderin Maria Magdalena, der in den Katakomben unter dem Vatikan aufbewahrt wird, oder das getrocknete Blut vom spätrömischen Märtyrer San Gennaro, das in einer Kirche in Neapel aufbewahrt wird und der Legende nach jedes Jahr einmal wieder flüssig werden soll, was das so genannte „Blutwunder von Neapel“ darstellt. Legendär sind als Reliquien auch zahlreiche Nägel vom Heiligen Kreuz, welches angeblich den Leichnam von Jesus Christus getragen haben soll, die in verschiedenen christlichen Kirchen überall in Europa ausgestellt werden und Scharen von Gläubigen anziehen. Die Technik der angeblichen Wunderheilung und die Verehrung der Reliquien wurde von Martin Luther oft verspottet, da er sie für einen weit verbreiteten Aberglauben hielt und kritisch äußerte, dass es in Europa so viele besagte „Nägel vom Heiligen Kreuz“ gäbe, dass man praktisch jedes Pferd damit beschlagen könne. Der lutheranische Skeptizismus in Bezug auf Reliquien, ihre Echtheit und ihre Wirkung, hat dazu geführt, dass bis heute im Protestantismus keine Reliquien anerkannt oder zum Heilen verwendet werden und der Reliquien-Glaube ein katholisches Gut geblieben ist. Die Beliebtheit der Reliquien unter gläubigen Menschen ist jedoch ungebrochen, was auch die – bis heute andauernden – Diskussionen um das berühmte Grabtuch von Turin beweisen, welches angeblich einmal die Leiche von Jesus Christus umwickelt haben soll. Doch ob der Abdruck eines menschlichen Körpers mit dorniger Krone, der auf diesem Reliquien-Tuch recht deutlich zu sehen ist, wirklich von Jesus Christus stammte, ist ebenso ungeklärt wie die Frage, ob die antiken Reliquien wirklich eine magische, heilende Macht über die Jahrtausende hindurch besitzen. Für den, der daran glaubt, sicherlich….


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