Naturgeister

Der Glaube an Naturgeister ist uralt und datiert zurück bis in die Ur- und Frühgeschichte der Menschheit, vor der Etablierung der Religionen. Die Naturgeister entstammen einem frühen menschlichen Vorstellungskosmos, der die ganze Welt – vom Stern am Himmel bis zum Moos auf der Erde – als beseelt ansieht. In der Philosophie bezeichnet man solche Vorstellungen vom beseelten Kosmos als „animistisch“ (von Lateinisch „anima“, Seele, das heißt „alles ist beseelt“), oder als „pantheistisch“ (von griechisch „pan“, alles, und „theos“, Gott, das heißt „überall ist Gott“). Beide Vorstellungswelten, die animistische und die pantheistische, haben große inhaltliche Überschneidungen, verehren ähnliche Naturgeister und sind teilweise bis in die heutige Zeit vorhanden. Der Unterschied zwischen dem Animismus und dem Pantheismus ist der, dass ein Animismus die Durchseeltheit aller Elemente des Kosmos anerkennt und teilweise unterschiedliche Naturgewalten in Form von Naturgeistern verehrt, die untereinander aber in Konkurrenz liegen können – der Sturmgeist etwa könnte mit dem Meergeist konkurrieren. Der Pantheismus jedoch geht von einem monotheistischen Gottesbild aus (es gibt also nur einen Gott), sieht diesen einen Gott jedoch, wie Brechungen in einem Spiegel, in allen Elementen der Natur geisthaft verkörpert. Überschneidungen zwischen Animismus und Pantheismus sind häufig. Der Voodoo-Glaube in Westafrika und auf Haiti ist beispielsweise ein solcher animistischer Glaube an Naturgeister, so genannte „Loas“, der sich bis in die Gegenwart erhalten hat. Die Praktik des Voodoo hat viel mit dem Beschwören und Beschwichtigen dieser „Loas“, Naturgeister, zu tun, die durch bestimmte Rituale auf ein Ziel eingestimmt werden sollen. Naturgeister, die man in Europa kannte, waren etwa die im Wasser lebenden Nymphen und in den Wäldern hausenden Dryaden im alten Griechenland – die Baumgottheiten, die in mancher Hinsicht den Feen der irischen Mythologie ähnelten. Aber auch die kleinen Zwerge oder Heinzelmännchen der altdeutschen Sage, und die Feuergeister oder Feuervögel der slawisch-russischen Märchen und Sagen gehören zu den Naturgeistern. Naturgeister repräsentieren die speziellen Eigenschaften des natürlichen Elements, das sie verkörpern oder aus dem sie entstammen; so gelten Feuergeister etwa als aufbrausend und verzehrend, wie das Element Feuer, Luftgeister dagegen als geistreich und humorvoll, aber auch flüchtig und nicht einzufangen, wie ihr Element, die Luft.

In der volkstümlichen Magie spielt die Beschwörung von Naturgeistern eine große Rolle. Der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe lernte im 18. Jahrhundert bei der Alchemistin und Magierin Susannah von Klettenburg die magische Beschwörung von Naturgeistern und soll einiges davon in sein Hauptwerk „Faust“ eingearbeitet haben. Tatsächlich finden sich im „Faust“ echte Zaubersprüche wie auch die Beschwörung der so genannten Elementargeister, die so genannten Feen, Undinen, Gnome und Salamander. Feen repräsentieren die Luft, Undinen das Wasser, Gnome die Erde und Salamander das Feuer; viele traditionelle Magier glaubten, dass diese Elementargeister beschwört werden müssten, damit ein magisches Ritual gelingen kann. Ein Elementargeist ist stets auch ein Naturgeist – aber nicht jeder Naturgeist ist auch ein Elementargeist, wenngleich die meisten einem bestimmten Element zugeordnet werden können. In der klassischen Magie werden die Elementargeister zu Bündnispartnern für Rituale gemacht, denn sie gelten als überaus machtvoll und versinnbildlichen die Kraft der Elemente, aus denen die manifeste Welt besteht; im volkstümlichen Glauben und in Märchen tauchen eher die harmlosen und meist liebenswürdigen Naturgeister auf, die irgendeinen Aspekt der Flora und Fauna verkörpern.


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