Dracula

Dracula ist heute ein bekannter Name und repräsentiert – neben Frankenstein – die berühmteste Figur der so genannten gothic novel, der Gruselgeschichte. Unter Dracula verstehen wir – in Anlehnung an den gleichnamigen Roman des Iren Abraham (Bram) Stoker aus dem Jahr 1897 – die Geschichte eines rumänischen Adligen, der sich allnächtlich in einen Vampir oder eine Fledermaus verwandelt, um das Blut der Lebenden zu trinken. Diese Geschichte und ihr Aufgriff durch den beliebten Autor Stoker, der damit einen spontanen Welt-Erfolg landete, galt als paradigmatisch für den damals zunehmenden Trend der Vampir-Geschichten und ihrer mittelalterlich-romantischen Anmutung, der auch in unserer Gegenwart wieder neu auflebt.

Tatsächlich beruht Stokers Roman auf mehreren historischen Vorbildern, die zu ihren Lebzeiten als Vampire oder als des Vampirismus verdächtig galten und sich durch ungewöhnliche Charakterzüge auszeichneten, die Aufsehen erregten. Am bekanntesten ist der rumänische Fürst Vlad II. (1395-1447), auch genannt Dracul (übersetzt „kleiner Drache“), der zur Zeit der großen Türkenkriege in Rumänien regierte. Er hatte sich geschworen, das Christentum mit allen Mitteln gegen das Osmanische Reich im Osten zu verteidigen und sah seine Militärakte als eine Art heiligen Krieg an gegen die so genannten Ungläubigen. Dieser Fürst war bekannt für seine Grausamkeit, denn er pflegte seine politischen Feinde – die Türken, die in Rumänien einfielen – zu töten und auf Pfählen aufzuspießen. Das öffentliche Ausstellen der gepfählten Leichname gab ihm den Beinamen „Tepesch“, was übersetzt etwa „der Pfähler“ bedeutete. Aufgrund dieses legendären Gewaltherrschers und seiner Familie, die lange Zeit durch Generationen hindurch Rumänien und die umliegenden Landstriche beherrschte, hat sich die unheimliche Legende von Vlad Dracul entwickelt, diesem untoten Adligen, der angeblich allnächtlich das Blut der Lebenden aussaugt. Doch der Vampir-Mythos an sich ist viel älter. Schon der Lothringische Abt Dom Calmet beschreibt im 17. Jahrhundert in seinem Traktat über Untote die damals schon legendäre Verbreitung von angeblichen Toten, die nachts blutrünstig aus ihren Gräbern steigen, vor allem in den ländlichen Legenden der Rumänen, Böhmen und Ungarn.

Der Autor des berühmtesten Romans über Vampire, Bram Stoker, hatte allerdings neben den reichen Quellen von Abt Calmet und der Legende um Fürst Vlad II., genannt Dracul, noch eine andere und wahre Inspiration: eine weibliche Untote. Diese Frau – Eleonore von Schwarzenberg – hat tatsächlich im frühen 18. Jahrhundert in Österreich gelebt, sie galt zu ihren Lebzeiten als eine Hexerin und wurde nach ihrem Tod gewissenhaft obduziert und in ein separates Grab übersiedelt, welches völlig versiegelt wurde. Offensichtlich fürchtete die Landbevölkerung, aber auch die adlige Familie der Freifrau selbst eine Wiederkehr der Toten, der man offenbar einiges an Magie zutraute. Wie lebendig der Vampir-Mythos noch war, beweist jedoch nicht nur das Schicksal der unglücklichen Eleonore von Schwarzenberg (die wahrscheinlich, heutigen Deutungen der medizinischen Obduktions-Protokolle nach, ganz gewöhnlich an einem Tumor starb), sondern auch das lange Nachwirken dieser wahren Geschichte bis Ende des 19. Jahrhunderts, als Stoker seinen „Dracula“ schrieb. Die moderne Fassung, die wir heute kennen, lässt das ursprüngliche Kapitel mit dem weiblichen Vampir aus, und doch ist diese uralte Geschichte wahrscheinlich die wichtigste…


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